In letzter Zeit erlebe ich eine sehr erfüllende kreative Phase, während eine liebe Freundin über den Tod einer geliebten Person trauert. Ich fand es befremdlich – wie kann ich glücklich sein, wenn meine Freundin untröstlich ist? Natürlich empfinde ich Mitgefühl mit ihr und doch, mein Leben ist gut.
Während ich darüber nachdachte, stieß ich auf eine japanische Tradition namens Kintsukuroi, auch bekannt als Kintsugi. Kintsukuroi bedeutet „Goldreparatur“ und bezieht sich auf die traditionelle Kunstform, zerbrochene Gefäße zu reparieren, indem die Risse der wieder zusammengefügten Teile mit einer mit Gold (oder Silber, oder Platin) vermischten Klebemasse hervorgehoben werden, wodurch das Originalstück an Wert und Schönheit gewinnt.
Ich mag das. Ähneln wir nicht auch kaputten Gefäßen? Wir alle trauer(te)n um Menschen, die wir lieben, haben zerstörte Träume und erfuhren andere Schmerzen und Verletzungen im Leben. Als Resultat versuchen wir oft, uns vor zusätzlichen Verletzungen zu schützen.
„Ganz sein“
Im Sinne von Kintsukuroi bedeutet „Ganz sein“ nicht, „ungebrochen“ zu sein oder unsere Narben zu verbergen. Es gibt einen Weg der Heilung, der den Wert erhöht. Der das Zerbrechen als Teil unseres Lebens akzeptiert und Heilung als persönliches Wachstum feiert. Leid bewirkt eine Transformation, durch die wir aus einer schweren Phase unseres Lebens wie Phönix aus der Asche hervorgehen.
Wir haben gelebt und erlebt, haben an Erfahrung und an Verständnis dazu gewonnen. Das Bewältigen schwieriger Lebenssituationen bereichert uns und lässt uns stärker werden. Wir sind nicht mehr dieselben, die wir waren, und das darf sich zeigen.
Manchmal braucht es nur eine neue Perspektive, um das Schöne und Besondere in einer Situation zu sehen. So können wir Unvollkommenheit wertschätzen. Schönheit liegt im Auge des Betrachters.
Wir sind fähig, uns permanent an neue Situationen und Lebensumstände anzupassen und bei Bedarf zu heilen. Um unsere Stärke zu erleben, müssen wir unsere Grenzen beständig erweitern, denn, wie Nelson Mandela sagte:
„Man findet keine Leidenschaft darin, sich mit einem Leben zufrieden zu geben, das geringer ist als jenes welches zu leben man fähig ist.“
Seine Leidenschaft leben zu können macht ein erfülltes Leben aus, welches – wenn man am Lebensende zurückblickt – zu leben sich gelohnt hat.